Riesige Posters

Jedesmal wenn etwas neues entsteht, wird es veröffentlicht. Oft werden diese Ergebnisse auf Congresse vorgestellt. Es werden riesigen Posters hergestellt, die den wichtigsten Infos und Darstellungen der neue Substanzen zeigen. Wenn die Ausstellung vorbei ist, landen die Posters meist auf die Wänden in den Fluren zwischen den Labors.

Die sind super spannend und zugleich völlig unverständlich und ich schaue sie unglaublich gerne an.

Beispiel Darstellung

Chemie als Fremdsprache

Es ist gut für die Wissenschaftler wenn sie Geräte bekommen, die genau passen, und es ist gut für mich wenn ich weiß, dass ich was gutes gebaut habe, was wirklich verwendet wird und nicht in einem Schrank verschwindet. Um das hinzubekommen, mussen wir miteinander reden.  Das tun wir auch, und doch merke ich, dass “Chemie” sowas wie eine eigene Sprache ist – eine die ich seit Jahren zu lernen versuche und nur sehr viel langsamer als andere Sprachen einprägen kann.


Jeder Beruf oder Interessensgemeinschaft entwickelt eine eigene Sprache. In den Meisten Fällen ist es trotzdem nicht allzu schwer für Außenstehende zu verstehen worum es geht.

Wenn ich im Freundeskreis herum frage “Hey! Woran arbeitest du gerade?” bekomme ich antworten wie:

Ich baue ein 3-Familien Haus.. Ich verkaufe ein VW Bus.. Ich backe einen Kuchen.. Ich wasche die Fenster.. Ich schreibe ein Buch.. Ich bereite Mathe-Unterricht für Viertklässler vor.. Ich trainiere für ein Marathon… usw. usf.

Vielleicht kommt auch mal so was wie “ich fräse Kronenfügen” aber das ist relativ schnell in “ich will demnächst Holz verbinden” oder “ich baue eine Treppe” übersetzt.

Bei Chemiker dagegen klingt es eher so:

Hey! Woran arbeitest du gerade?

Mein Platin-Komplex / Verbindung isolieren / zweifach positiv geladene Ionen / NMR‐Spektroskopie / Eisen gebundenen η1‐CO‐Liganden / …[blahblahChemieblah]…

Uh.. ok. (*kein Wort verstanden*)

Ich glaube ich bin da nicht alleine in meinem Unverständnis. NichtChemiker können generell seltenst etwas darunter vorstellen, und viele Chemiker können leider seltenst für NichtChemiker wirklich übersetzen. (Viele, aber zum Glück nicht alle. Es gibt einige großartige Erklärer/innen denen ich sehr dankbar bin).

Inzwischen habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Chemiker/innen gerne verstanden werden, und sich freuen, wenn man sich für ihre Arbeit interessiert. Wenn man die oft sehr starke Sprachbarriere überwinden kann, ist es eigentlich aüßerst spannend.


Ich hoffe mit meinen Modellen, die Erklärung und Vorstellung jeweils ein klein wenig einfacher zu machen.

Sichtbar? oder doch lieber begreifbar?

Im echten Leben sind Moleküle so winzig, dass man keine Chance hat, sie mit dem bloßen Auge zu sehen.

Sie sind auch mit normalen Mikroskopen unsichtbar. Chemiker haben spezielle Methoden sie zu berechnen und “sichtbar” zu machen, aber auch das ist nicht ganz easy und beinhaltet ziemlich viele Datentabellen.

Die Daten die sie von ihre Messungen erhalten können mithilfe Computerprogramme zu Bilder/Darstellungen umgewandelt werden. Damit hat man ein viel bessere Vorstellung worum es geht – ein Bild ist eben bekannterweise 1000 Wörter wert.

Je nachdem welche Darstellungsformat die wählen, kann es trotzdem schwierig sein, zu sehen was wohin zeigt, und man braucht viele Ansichten, um eine gute Vorstellung zu bekommen wie sie insgesamt aussehen.


Meine Moleküle kann man anfassen. Das Halten und Drehen und wörtliches Begreifen hilft oft mehr als einseitiges Anschauen. Manchmal schaut man doch besser mit den Händen…

Koffein

Koffein ist ein umgangssprachliche “Wachmacher”.

Man findet es beispielsweise in Kaffee, Tee (als Teein) und in vielen “Energy Drinks”. Es ist der Grund, weswegen so vielen Menschen morgens Kaffee überhaupt trinken – sie fühlen sich müde und wollen wach werden, um in den Tag zu starten.


Im normalen Leben bin ich kein große Kaffee-Trinkerin; er schmeckt mir nicht und wenn ich müde bin, versuche ich mehr zu schlafen. Kaffee trinke ich nur wenn ich sehr lange ganz besonders aufmerksam sein will, und auch dann nur mit sehr viel Milch und fast noch mehr Zucker…

Aber.

Ich starte jetzt auch was..

..und deswegen ist es irgendwie passend, dass der erste offiziellen Molekül-Auftrag nach der Anmeldung mein winzig kleines Nebengewerbe, Koffein ist, denn ich denke, so eine Projekt verdient meine Aufmerksamkeit.. (und den ersten VerkaufsErfolg schmeckt auch ohne Milch nicht schlecht :))

Wie kamst du dazu Moleküle zu bauen? – Teil 2

Gute Frage!

Zuerst habe ich mich mit Bildern beschäftigt.. siehe Teil 1.


Im Frühjahr 2012 habilitierte ein Freund von mir. Er bekam den Ruf, an einer andere Uni zu arbeiten, dort Professor zu werden. Zum Abschied wollte ich ihm etwas schenken, was ihm an der Zeit vor dem Ruf erinnert. Nach einige verworfene Ideen, habe ich beschlossen sein Lieblings-Molekül in Glas nachbauen. Das woran er einige Zeit gearbeitet hat. Ich habe mit der Darstellung, die er mir schickte, nicht viel anfangen können, also habe ich mit einer Freundin (Doktorandin) das Modell erst mit einem Molekül-Bausatz nachgebaut.

Sie hat mir vieles dazu erzählt und erklärt und gezeigt, und ich habe leider das allermeiste sofort wieder vergessen. Das Bild haben wir zusammen beschriftet und ich habe dieses Molekül gebaut:

Erstes Molekül – Nickel-Amidophenolat-Komplex – März 2012

Das war das erste. Es steht noch in seinem Büro. Es gibt noch ein paar Bilder hier.

Später promovierten andere Freunde und es folgten noch einige Moleküle. Einige davon sind in der Galerie zu sehen. Eine Freundin wollte ein Satz Miniaturen für den Weihnachtsbaum haben. Meine Großeltern haben “ein Glas Gin&Tonic” zu Weihnachten bekommen, komplett mit Aspirin für hinterher. Auch viele kleinere Moleküle für ein Kinder-Rate-Spiel am Tag der Chemie habe ich gebaut.

Als ich anfing, Anfragen zu bekommen von Menschen die ich nicht persönlich kannte, habe ich eine Nebengewerbe angemeldet – man kann eben nicht jedem seine Zeit schenken.

***

Ich nehme jetzt Aufträge an :).

Über mich

Im Herbst 2005 (nach dem Abi) bin ich als AuPair für 6 Wochen nach Deutschland gekommen. Inzwischen ist es erstaunlicherweise 2020 und ich bin noch hier und werde sogar offiziell “eingedeutscht” (!!).

Über Umwegen bin in einer Ausbildung gelandet und jetzt bin ich gelernte Glasapparatebauermeisterin und Betriebswirtin der HandwerksOrdnung.

Ich habe Spaß daran, mit Glas zu arbeiten und mit Menschen darüber zu reden. Ich mag Farben und Formen und Herausforderungen. Und Schokolade.

Tagsüber arbeite in an einer Universität. Für die Chemie. Manchmal auch für die Biologie oder Pharmazie oder Physik. Ich baue die Apparate die Wissenschaftler gebrauchen und leider oft missbrauchen. Es gibt jedenfalls immer viele Reparatur-arbeiten ;).

Abends und an Wochenenden und an meinen freien Tagen baue ich Moleküle. Oder schaue meine Fische beim schwimmen zu. Oder mache was anderes.

Ich finde es äußerst schade, dass der Tag nur 24 Stunden hat.

Moleküle?

Moleküle. 

Winzig kleine Fragmente eines Stoffes, die aus jeweils noch kleinere Teilchen, Atome, bestehen.

Moleküle.

Die sind in Wirklichkeit so klein, das man sie nicht ohne weiteres sehen kann, und doch besteht die Welt aus sie.

Moleküle.

Es gibt welche, die jeder kennt, und einige obskure, von denen wenig bekannt ist. Es werden sogar, dank den fleißigen Chemiker, immer mehr, denn sie kreieren immerzu neuen.

Einige dieser Chemiker sind nun in Besitz ein Modell ihrer Kreationen.

Ich baute aus Glas, das was sie in ihre Labore hergestellt haben.

Die ‘echte’ Moleküle sind nicht sichtbar und doch gibt es etliche Mess- und Berechnungsmöglichkeiten (die ich zum größten Teil weder kenne noch verstehe) die angeben wie groß einzelne Atomen sind, wie weit sie mit welcher Wahrscheinlichkeit auseinander stehen und in welchem Winkel zueinander. Es gibt Programme, die diese Daten nehmen und das völlig Abstrakte bildlich darstellen, und von genau solche Bilder und deren Datentabellen arbeite ich. Nur so kann ich sicher gehen, dasss alle Winkeln und Seitenlängen stimmen und zusammenpassen. Denn obwohl meine Moleküle viele tausend male größer als die echten sindhaben sie trotzdem irgendwie eine Art Maß-Verhältnis. Nicht ganz die Wahrheit aber nicht ganz willkürlich.

Zudem biete ich geliebte Moleküle an, die man als Nichtchemiker kennt (beispielsweise Koffein oder Alkohol oder Dopamin) in kleinformat an, welche sich als Schmuck eignen – ganz klein für Dich oder etwas größer für den außergewöhnlichen Weihnachtsbaum! Sie sind typischerweise nicht ganz so prezise gebaut, sind dafür durchaus erschwinglicher ;).

Wenn es um Dein Molekül geht, frage ich ganz genau nach, worauf es ankommt, und mache mir viele Notizen bevor ich mich am Brenner setze.

Die Farben kann jeder für sich frei auswählen, ansonsten nehme ich die ‘üblichen’ Farben. Das sind welche, die ‘immer’ verwendet werden, eine Art Standard, an dem sich aber keiner halten muss.

Ich bin jedes mal stolz darauf wenn die- oder derjenige ‘ihr’ Molekül das erste mal sieht und staunt.

Vielleicht staunst Du oder deine Kollegen auch gerne – schreib mich an, ich habe noch Kapazitäten :).

Wer bin ich?

Ich bin Jesse.

Ich bin Engländerin in Berlin.

Ich bin Glasbläserin, spezifischer Glasapparatebauerin.

Ich habe Spaß daran mit Glas zu arbeiten und mit Menschen darüber zu reden.

Ich mag Farben und Formen und Herausforderungen.

Ich arbeite z.Z. hauptsächlich in der Chemie. Das heißt, eigentlich arbeite ich FÜR die Chemie. Ich baue die Apparate die Chemiker gebrauchen und leider oft MISbrauchen. Jedenfalls gibt es immer jede Menge Reparatur-arbeiten ;).

Ab jetzt baue ich auch Moleküle aus Glas.

Auch nicht-Moleküle bau ich gerne – einfach Bescheid geben.

In der Galerie gibt es Inspiration.

Wie kamst du dazu Moleküle zu bauen? – Teil 1

Gute Frage!


Ich bin Glasapparatebauermeisterin und arbeite an Universitäten wo ich Geräte für Chemiker (und ab und zu auch für Biologen, Physiker oder Pharmazeutiker) baue und repariere.

Als ich 2009 an meiner ersten Uni kam, konnte ich kaum vorstellen was die Chemiker überhaupt machten und wozu sie die Geräte benutzten. Es ist schwer etwas sinnvolles für Jemanden zu bauen, wenn man nichts vom Endzweck weiß. In der Ausbildung hatten wir zwar ein wenig Apparatekunde, aber ich bin eben Glasapparatebauerin, nicht Chemikerin. Hinzu kommt, dass ich mich in der 11. Klasse das letzte Mal ‘richtig’ mit Chemie befasst hatte (und ich verstand auch damals nicht besonders viel davon).


Am Ende des Studiums müssen die Doktoranden jeweils einen Vortrag halten, und ihren Ergebnisse präsentieren. Ich war oft eingeladen und saß als Zuhörerin dabei.

Auch wenn ich beeindruckt war (und noch bin), von dem Wissen, dass sie offensichtlich haben, fand ich es aüßerst schwerig, mir etwas darunter vorzustellen, wenn sie von irgendwelchen Reaktionen oder Messungen sprachen.

Wenn ich nichts verstand, habe ich das getan, was man auch bei Bücher macht, die man nicht versteht – ich habe die Bilder angeschaut.

Ich fand sie spannend. Unverständlich, aber absolut faszinierend.

Ich habe mich auch mit den Molekülen Darstellungen auf den Veröffentlichungs-Posters und in den sonstigen Vorträge gefasst. Ich habe näher zugehört und verstärkt aufgepasst wenn darüber gesprochen wurde. Wenn ich die Chance bekam, habe ich die Chemiker viele Fragen dazu gestellt und erfahren, dass man enorm viel aus einem solchen Bild ablesen kann..


Ich kann noch immer nicht behaupten, dass ich sehr viel verstehe, aber mit der Zeit, und fast wie durch Osmose, habe ich mir mehr Chemie-Kenntnisse angeeignet, als ich anfangs für möglich hielte.

Dazu weiß ich inzwischen auch vieles über das Leben an der Uni, über Forschung und Papers schreiben müssen, über feiern und promovieren. Ich habe Abstrakte (mit)übersetzt und Arbeiten Korrektur gelesen und Präsentationen für Doktor-Prüfungen eingeübt. Ich weiß wie schön es ist, Leute durch’s Studium zu begleiten und mit ihnen zu jubeln, wenn es [endlich] vorbei ist. Es ist den Leuten deutlich anzumerken, wie sehr sie an ihre Forschung hängen, wie sehr sie leiden wenn eine Reaktion nicht gelingt und wie sehr sie sich freuen wenn sie etwas entdecken. Ich kriege es ein wenig mit, wie tief jeder in seinem Gebiet eindringen muss, wie wichtig die kleinste Details sind. Manche Stoffe gehen beispielsweise kaputt wenn die Temperatur oder der Sauerstoffgehalt nicht mehr genau passt. Manche Stoffe werden komplett anders, wenn auch nur ein Winkel oder ein Abstand zwischen den Atome sich ändert. Das ist doch völlig verrückt.

Und trotzdem reizvoll.


Teil 2